Inhalt


Vorwort

von MARTINUS KUHLO


Reformen für den Arbeitsmarkt

Alte Probleme, neue Lösungen

Arbeit im Wandel - gezielte Maßnahmen für Jobsucher sollen die Arbeitslosigkeit reduzieren

von WALTER RIESTER


Fördern und fordern

Wege aus der Beschäftigungsmisere - Ansätze, Neuerungen, Lösungen

von EVA STROBEL


Empfehlen - nicht befehlen

Modelle gegen Arbeitslosigkeit unter der Lupe - welche Politik ist europafähig?

von WINFRIED MENRAD


Zwischen Symptomkosmetik und Systemumbau

Wie sinnvoll und effizient sind die aktuellen Arbeitsmarktreformen?

von GÜNTHER KLEE



Nachhaltige Finanzpolitik


Weitblick für Wachstum und Wohlstand

Nach mir die Sintflut? - Nein: Politik von heute für die Generationen von morgen

von GERHARD STRATTHAUS


Zukunft ohne Zinsen

Keine leeren Versprechungen - Haushaltskonsolidierung für ein sicheres Morgen

von DR. KONSTANZE WEGNER


Grün ist die Hoffnung

Rot-Grün reformiert die Finanzpolitik - Nachhaltigkeit ist Trumpf

von OSWALD METZGER


Verbrannte Erde oder blühende Landschaften?

Abholzen und Aufforsten - nachhaltige Finanzpolitik zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder

von DR. PETER GOTTFRIED



Globalisierung verantwortlich gestalten


Neue Dimensionen für die Demokratie

Global Governance - Demokratien vor der Globalisierungsprobe

von DR. ERNST ULRICH VON WEIZSÄCKER


Weltweit - Weltklasse

Out of Ditzingen - eine Firma steht ihren Mann im internationalen Wettbewerb

von DR. MATHIAS KAMMÜLLER


Regionaler Fels in Globaler Brandung?

Wirtschaftsstandort Stuttgart - eine Region stellt sich ihrer globalen Verantwortung

von DR. BERND STEINACHER


Geld regiert die Welt?

Kaum Raum für Demokratie - wenige Gewinner, aber viele Verlierer im gegenwärtigen Globalisierungsprozess

von PETER WAHL



Wettbewerb der Marktplätze


Von Dienstleistern und Despoten

Shopping virtuell - König Kunde greift im Internet nach der Macht

von TIM COLE


Konkurrenz für die Kaufhalle?

E-Commerce - beim Handel der Zukunft macht sich Ernüchterung breit

von NORBERT BRUGGER


Wunderland mit Macken

Schöne neue Warenwelt? - am virtuellen Markt ist noch einiges im Argen

von MONIKA KETTERER


Durchblick im Datendschungel

Orten, Ordnen, Organisieren - die Informationslogistik stellt sich dem Wildwuchs im Web

von GÜNTHER LOHRE


Autorinnen und Autoren



Globale Herausforderungen


Ein Vorwort von Martinus Kuhlo

Globalisierung - wie ein roter Faden zieht sich dieses Stichwort durch die Bad Boller Perspektiv-Gespräche im Jahr 2002. Ob bei der Suche nach "Reformen für den Arbeitsmarkt", beim Ruf nach einer "Nachhaltigen Finanzpolitik" oder bei der Diskussion um den "Wettbewerb der Marktplätze" - immer war die Globalisierung im Spiel, wenn es Probleme gab und um Lösungen gerungen wurde, die der neuen Situation gerecht werden. Im September war die Gestaltung der globalen Zusammenhänge selbst Thema des Perspektiv-Gesprächs.

"Reformen für den Arbeitsmarkt" sind seit Jahren in der Diskussion - ein Dauerthema, das die Menschen in unserem Land mit am meisten bewegt. Die Konjunkturschwäche - im Laufe des Jahres 2002 immer deutlicher zu spüren - legte die Mankos des deutschen Arbeitsmarkts schonungslos offen. Eine große Zahl von Regelungen macht den deutschen Arbeitsmarkt zu einem unflexiblen Gebilde, das viel langsamer auf Veränderungen reagiert als die Arbeitsmärkte in anderen Industrieländern. Angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs signalisiert diese Situation immensen Handlungsbedarf. Mit zwei Maßnahmen hat die Bundesregierung reagiert: die bundesweite Einführung eines Kombilohns und die Reform der Arbeitsverwaltung, besonders der Arbeitsvermittlung. Diese beiden Reformen prägten die Diskussion beim Perspektiv-Gespräch mit Arbeitsminister Walter Riester im Mai 2002.

Die sich verschärfende internationale Konjunkturkrise und der weltweite Wettbewerb spielten auch beim Perspektiv-Gespräch zum Thema "Nachhaltige Finanzpolitik" im Juni eine wichtige Rolle. Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik beschreibt vor allem das Ziel, die Handlungsfähigkeit öffentlicher Haushalte sicherzustellen. Das ist heute nicht mehr von selbst gegeben. Die Staatsverschuldung hat längst ein Ausmaß angenommen, das die Spielräume der öffentlichen Haushalte spürbar begrenzt. Wir reden hier von Größenordnungen, die uns nicht leicht über die Lippen gehen: Zum Ende des vergangenen Jahres betrug die Verschuldung der öffentlichen Etats in Deutschland mehr als 1.200 Milliarden Euro (das sind über 1,2 Billionen Euro - eine Summe, die unseren Verstand übersteigt). Davon entfielen rund 60 Prozent auf den Bund und etwa 30 Prozent auf die Länder. Bund und Länder bestimmen damit im Wesentlichen das Defizit des Staates in unserem Land.

Die Höhe der Staatsverschuldung ist ein wichtiger Indikator für die Geldpolitik. Gerade Deutschland hat bei der Einführung des Euro darauf gedrängt, die Staatsverschuldung der Teilnehmerländer zu begrenzen. Ohne eine solche Begrenzung lässt sich dauerhaft keine Geldwertstabilität erreichen. Im Juni 2002 gingen der baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus und die anderen Diskutanten beim Perspektiv-Gespräch noch von einer Neuverschuldung aller staatlichen Körperschaften von etwas mehr als 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Jahr 2002 aus. Im November eröffnete die europäische Kommission ein Verfahren gegen Deutschland, da die Verschuldungsobergrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsproduktes deutlich überschritten worden war.

Das Ziel im Land Baden-Württemberg, ab 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen, ist vor diesem Hintergrund sehr viel schwieriger geworden. Es ist deswegen aber nicht weniger zukunftsweisend. Dass es schwer ist, im Einzelfall entsprechende Einsparungen zu realisieren, wissen wir alle. Nichtsdestoweniger strebt der Bund ebenfalls für das Jahr 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung an.

"Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen!" Diese altbekannte Erkenntnis umschreibt den anderen zentralen Aspekt einer nachhaltigen Finanzpolitik. Die Frage, welche Generation welche Lasten zu tragen hat, ist eine Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Müssen unsere Nachkommen für die finanziellen "Sünden" von heute büßen? Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik ist mithin nicht nur eine politische, sondern auch eine sozialethische Aufgabe.

In allen Erdteilen weckt das Stichwort "Globalisierung" Hoffnungen und Ängste. Davon spricht auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Schon im November 2001 hat die EKD-Synode zum verantwortungsbewussten Umgang mit der globalen Wirtschaft aufgerufen. "Globalisierung verantwortlich gestalten" hieß dementsprechend auch der Titel des Bad Boller Perspektiv-Gesprächs im September.

Der Deutsche Bundestag hat als erstes Parlament der Welt eine Kommission beauftragt, sich mit der Entstehung und den Auswirkungen der Globalisierung zu beschäftigen. Die Kommission hat zum Ende der letzten Legislaturperiode im Juni 2002 ihren Abschlussbericht vorgestellt. Er enthält zahlreiche Vorschläge, mit der veränderten Situation umzugehen.

Globalisierung ist nicht zuletzt eine Herausforderung an die Demokratie. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Hauptreferent des Perspektiv-Gesprächs und Vorsitzender der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zu Fragen der Globalisierung, spricht von drei Säulen, auf denen die Demokratie im Zeitalter der Internationalisierung ruhen müsse: die Nationalstaaten und ihre multilaterale Zusammenarbeit, die Privatwirtschaft, für die weltweit gültige Regeln aufgestellt und durchgesetzt werden müssten, und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft.

Wie ein Unternehmen agiert, das von der Globalisierung profitiert und gleichzeitig seine soziale Verantwortung wahrnimmt, stellte Dr. Ing. Mathias Kammüller, Geschäftsführer der Trumpf GmbH in Ditzingen, vor. Zitat: "Wir haben noch keinen Standort geschlossen und keinen wegen der Steuern gewechselt." Trumpf gehört daher zu den Unternehmen, die den regionalen Arbeitsmarkt stabilisiert haben. Dennoch ist die Bilanz in Baden-Württemberg ernüchternd, wie Dr. Bernd Steinacher, Regionaldirektor des Verbands Region Stuttgart, erläutert: "Die Bruttowertschöpfung in der Region Stuttgart hat von 1992 bis 2000 von 60 Milliarden Euro auf rund 80 Milliarden Euro zugenommen. Gleichzeitig sind 80.000 Arbeitsplätze verloren gegangen." Mit diesen Zahlen gehört der Großraum Stuttgart trotz allem noch zu den Gewinnern im globalen Standortwettbewerb. Dieser, so Peter Wahl, Sprecher der Nicht-Regierungsorganisation "Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung" (WEED), dränge Regierungen und Verwaltungen rund um den Erdball, ihre öffentlichen Leistungen einzuschränken oder sie privaten Anbietern zu überlassen. "Diese Art der Globalisierung produziert sehr wenige Gewinner und ungeheuer viele Verlierer."

Engagiert, ja, ungewohnt strittig, ging es bei diesem Perspektiv-Gespräch zu. Das Thema Globalisierung bewegt die Emotionen. Es wird die Akademie und die Bad Boller Perspektiven daher auch weiterhin begleiten. "Globalisierung verantwortlich gestalten" bedeutet, einen weiten Weg gehen - vom internationalen Recht bis in die Herzen der Menschen.

Auf eine ganz eigene Weise trat diese Erkenntnis auch beim letzten Perspektiv-Gespräch zum Thema "Wettbewerb der Marktplätze" im November 2002 hervor. Weltweite virtuelle Marktplätze und Online-Einkaufsnetze verändern nicht nur unsere Shopping-Gewohnheiten, sondern auch traditionelle Geschäftsmodelle. Die sich online informierende und kaufende Kundschaft erhält durch das Medium Internet eine nie zuvor gekannte Macht.

Das Internet verschiebt in vielen Branchen das Marktgeschehen von konkreten zu virtuellen Marktplätzen. Die gute Erreichbarkeit im Internet wird für den Anbieter zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor im Umgang mit dem neuen Kunden, der zusammen mit anderen Verbrauchern Kartelle bildet. Wer auf den virtuellen Marktplätzen nicht kundenfreundlich handelt, wird auch den traditionellen Marktplatz bald verlassen müssen.

Die virtuellen Marktplätze verstärken einen bestehenden Trend der Dienstleistungsgesellschaft: Die Anbieter, die ihre Kundschaft durch Glaubwürdigkeit, Leistung und überzeugende Preisgestaltung dauerhaft an sich binden, haben langfristige Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Doch wäre es euphorisch, von "goldenen Zeiten" für die Kunden zu reden. Zum einen gibt es auf dem Marktplatz Internet viele ungeklärte oder offensichtlich unrichtige rechtliche Regelungen. Zum anderen wird die Bewältigung der Informationsflut zu einem immer dringlicheren Problem - auch im Wettbewerb der virtuellen mit den realen Marktplätzen.

Mit diesem Band laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, wieder ein, die Perspektiven nachzulesen, die in unserer Veranstaltungsreihe entwickelt wurden. Allen, durch deren Mitarbeit dieses Heft entstehen konnte, gilt unser Dank - den Referentinnen und Referenten, die sich auf die Perspektivsuche eingelassen und sie mit Inhalt gefüllt haben, Frau Heidi Wentsch für Ihre umfangreiche und zuverlässige Lektoratsarbeit und Herrn Peter Szidlovszky, der die elektronische Verfügbarkeit der Texte unter www.markplatz-gp.de gestaltet und gewährleistet hat. Viel Spaß beim Lesen.

Ihr Martinus Kuhlo


Martinus Kuhlo, Jürgen Hilse, Irmgard Ehlers (Hrsg.)

Bad Boller Perspektiven - Band 6

Reformen für den Arbeitsmarkt, Nachhaltige Fiananzpolitik, Globalisierung verantwortlich gestalten, Wettbewerb der Marktplätze

März 2003, ca. 190 Seiten, 12 Euro